Glossar

Stimmführung

Das Wort S. ist eine Reminiszenz an sehr alte Zeiten; dass die Linien jedes einzelnen Instruments als „Stimmen“ bezeichnet werden, ebenfalls. In der polyphonen Vokalmusik des Mittelalters und der Renaissance stifteten noch keine harmonischen Zwänge Struktur und Sinn, sondern der Komponist zeigte seine Fähigkeiten, indem er die Gesangsstimmen nach atemberaubend komplexen Regeln gegeneinander führte. Schon die im klassischen Unterricht gelehrten Stimmführungsregeln, so absurd restriktiv sie dem Jazzer vorkommen mögen, sind dagegen vergleichsweise schaumgebremst, und im Jazz selbst gibt es derart viele Parameter, die den Charakter eines Stückes bestimmen, dass z.B. irgendwelche parallelen Quarten und Quinten nicht nur nicht stören, sondern möglicherweise sogar händeringend erwünscht werden (so sind Bläsersätze im Hard Bop sehr oft absichtlich dementsprechend geführt, nur das bringt die nötige Power neben einem Drummer wie Art Blakey!). Am noch älteren, aus der Steinzeit stammenden künstlerischen Prinzip des „Gewusst wie“ ändert all dies jedoch wenig.