Glossar

Obertonreihe

Wenn man sich auf die Suche nach musikalischen Phänomenen begibt, die wirklich „naturgegeben“ sind, also keiner kulturellen Übereinkunft bedürfen, vielleicht sogar auf Alpha Centauri anzutreffen sind und hundertprozentig noch tiefgründiger als der Blues, ist die O. eine besonders dankbare Kandidatin. Schwingende Materie, egal ob es sich um eine Gitarrensaite handelt oder schlichte Luft in einem Saxophon, ruft quasi zwangsläufig eine O. hervor: diese beschreibt mit mathematischer Präzision, wie sich über einer Grundfrequenz weitere Schwingungen aufbauen, theoretisch bis in die Unendlichkeit. Was man allerdings mit diesem, von der gütigen Mutter Natur als Dreingabe gratis miteingepacktem Material dann anfängt, darüber streiten sich Gelehrte und Musiker mit der diesen Berufsgruppen eigenen Penetranz mindestens seit Pythagoras. Die vom Free Jazz in der einen oder anderen Form berührten Bläser machten sich die Obertonreihe jeder auf seine Art gefügig, seien es die Spaltklänge eines John Coltrane oder das akkordische Posaunenspiel Albert Mangelsdorffs. Übrigens sind natürlich alle Obertöne natürliche Phänomene, deswegen ist die Bezeichnung artificial harmonics, wie man sie z.B. für eine Spieltechnik von Jaco Pastorius erfunden hat, irreführend!